Hausungen
In meiner Arbeit beschäftige ich mich mit der Organisation von Räumen und mit deren Definition, was meinem Verlangen nach Klärung von Dingen entgegenkommt. Dabei sind die Blickrichtungen und Standpunkte entscheidend. Bei den Hausungen gibt es weder eine Hauptansicht noch einen idealen Standpunkt. Es entstehen Anblicke, Einblicke, Durchblicke, Ausblicke und eine andere Seite. In jedem Fall befindet man sich außerhalb des Raumes.
Die Hausungen sind keine Behausungen, sie haben kein privates Element, auch wenn Versuche von Individualisierung (verschieden farbige Glasperlen bei Reihenhaus1) zugelassen werden.
Strukturen sind die Voraussetzung einer jeden Organisation. Das Reihenhaus ist das Beispiel für unterschiedliche Strukturen des Außenvolumens, das Hochhaus für Formen der Innenraumteilung und das Gebäude für Funktionen. Dabei spielen Proportionen - Größe der Räume, Vergleichsräume und Gesamtmassen - eine wichtige Rolle. sie bestimmen Raumformen und -qualität ebenso wie der gewählte Standort : Die frontale Ansicht lässt aus einer horizontalen und vertikalen Schichtung ein Relief entstehen, deren Raumstruktur eine Neuorganisation ermöglicht.
Im Unterschied zu Tendenzen in der Architektur, bei denen Räume von ihren Funktionen, Dimensionen und Konstruktionen gelöst werden, kommt es mir darauf an, dass der Charakter des jeweiligen Gebäudes erkennbar bleibt. Dabei werden nicht Dinge abgebildet, sondern in umgekehrter Weise aus der Vorstellung Organisationen in Strukturen umgesetzt. Es entstehen Objekte, die so nicht gesehen werden können, aber einen großen Wiedererkennungswert besitzen. Diese Typisierungen lassen sich nun leicht miteinander und untereinander vergleichen. Der Modellcharakter der Arbeiten lässt dabei ebenso wenig eine Nähe zur Realität zu, wie die bewusst unterschiedlichen Größenverhältnisse. Der deutlich veränderte Maßstab verweist auf Empfindungen in Bezug auf Raumproportionen und Personen im Alltag. In der Ausstellungssituation kommt durch das Verhältnis Gebäude und Freifläche eine weitere Bedeutung hinzu.
Im Projekt Hausungen wird das Haus zum Motiv der Darstellung von Prinzipien. Das Material Keramik mit seinen Eigenschaften eignet sich für mich besonders zur Verdeutlichung meines Interesses für Bauwerke und Ingenieurkonstruktionen. Dabei ist vor allem der Brennprozeß von Bedeutung. Dies gilt auch für die Technik, bei der Glasperlen in das Keramikmaterial eingearbeitet werden. Erst durch das Brennen werden die verschiedenen Materialien zu einem Stück verbunden und entwickeln ihre Qualität. die Glasperlen verleihen den Arbeiten eine Transparenz, die mein Anliegen der verschiedenen Ansichten und ihrer Blickrichtungen verstärkt. Ebenso entsteht so eine Möglichkeit von Kommunikation der Räume untereinander, als auch von Raum und Umraum.
Jutta Widmer 2003